Geschichtswerkstatt Bräunlingen
Geschichtswerkstatt Bräunlingen

Vergangenheitsbewältigung 1996/1997

und der Gruppen- u. Arbeitsprozess

 

Es wurden vier Veranstaltungen durchgeführt:

1. Sonntag, 17.11.1996 (Volkstrauertag), 15.00 Uhr, Aula der Grund-u. Hauptschule

2. Sonntag, 12.01.1997, 15.00 Uhr, Aula der Grund-u. Hauptschule

3. Sonntag, 04.05.1997, …… Uhr, Aula der Grund-u. Hauptschule

4. Sonntag, 17.09.1997, 16.00 Uhr, Ratsaal des Rathauses

Alle vier Veranstaltungen wurden von Dr. Tilmann Moser moderiert.

 

Konzeption, Verlauf, Materialien und Berichterstattung der Veranstaltungen:

 

1.Veranstaltung (17.11.1996)

 

Begrüßung und Einleitung

 

Die Arbeitskreismitglieder berichten über Entstehen u. Vorgehen „Zeitzeugenaussagen“

 

Vortrag von Dr. Tilmann Moser „Die Arbeit der Erinnerung an NS-Zeit und Krieg“

 

Gespräch und Diskussion

 

Vorstellung der Materialien zum Mitnehmen/Erwerb:

Dokumentation der „Zeitzeugenaussagen“ (zu 10,- DM / Stück)

Beilage zur Dokumentation: Anmerkungen des Bürgermeisters

Vortragstext von Tilmann Moser „Die Arbeit der Erinnerung….“

Befund von Nobs zu Hornung’s Geschichte der Stadt in Hinblick auf den               Nationalsozialismus

Befund von Nobs zu Balzer u. Hornung im Verhältnis zum Judentum

Kopie Erinnerungsfaltbildchen Pfarrer Kurt Habich „glückliche Heimkehr“ aus KZ     Dachau

Handzettel mit Aphorismen zu „Erinnern – Vergessen“

 

Einigung auf eine zweite weitere Veranstaltung zur Aufarbeitung der Bräunlinger NS-Zeit

 

Zum Verlauf der Veranstaltung / Wahrnehmungen:

- Besuch der Veranstaltung: große Resonanz, die Aula war voll, die Stühle reichten   nicht

- Zeitung: „Es war klar zu spüren, dass Verbitterung und Groll auch nach 50 Jahren zum Teil noch tief sitzen“.

- Zeitung: „Erstaunlich, wie frei und offen die Diskussion anlief“.

- Zeitung: „Zeitzeugen, die übrigens für ihren Mut mit Beifall der Besucher bedacht wurden“

- Zeitung: „Das Treffen stieß auf so viel Resonanz, dass gleich ein zweiter Diskussionstermin vereinbart wurde“.

Die Gruppe berichtet zur Entstehungsgeschichte:

Wie hat sich die Gruppe gefunden?

Warum ist die Gruppe kleiner geworden?

(theoretische Diskussionen, Zweifel, Angst, Rücksichten)

Wie ging es weiter? Zeitzeugen befragt und Tageszeitungen durchforstet

Wie wurden die Zeitzeugen gefunden? Wir sind auf die Zeitzeugen zugegangen, manche haben sich verschlossen, andere waren offen, manche sahen keinen Sinn darin. Spektrum: verschiedene politische Lager; alt und jung; Männer und Frauen

Dann kam ein Entscheidungsprozess. Welche Schwerpunkte werden gesetzt? Sicherung der Zeitzeugenaussagen; Kräfte und Zeit

Wie war der weitere Verlauf? Gespräche mit Zeitzeugen und ihre Erlebnisse. Unsere Betroffenheit von ihren Aussagen. Korrekturen und Besprechungen der einzelnen Dokumenten.

Was passierte mit diesen Zeitzeugenaussagen? Eine Frage, die immer wieder aufkam. Zweifel und Fragen der Zeitzeugen und von uns. Entscheidung verschoben. Aufgliederung der Aussagen in thematische Blöcke und Anonymisierung, wichtiger Schritt. Daraus entsteht ein Gruppenprozess, die einzelnen Zeitzeugen treffen sich.

Wie ist der Gruppenprozess entstanden? Diskussion und Ringen um jede einzelne Aussage. Was darf man sagen? Was muss man sagen? Was kann man sagen?. Namensnennung so wenig wie nötig! Widersprüche der einzelnen Aussagen hinterfragen, aufdecken, klären. Diskussion über bestimmte Zeitzeugenaussagen.

Warum war es eine so lange Entstehungsgeschichte? Die Zeit von 10 Jahren hat es gebraucht. Die Gruppe kam zu der Konsequenz, dass es richtig und wichtig ist, die Aussagen zu tun.

Was ist das Dokument? Eine Grundlage, ein Markstein über die NS-Zeit zu sprechen, darauf aufzubauen. Es sind subjektive Berichte, die aber in einigen Gruppengesprächen besprochen worden sind. Liest man das Dokument, wird man schnell feststellen, dass es nicht um Verurteilen geht, sondern den Alltags im Nationalsozialismus in Bräunlingen wahrzunehmen und nachzuvollziehen.

Wir haben die Hürde genommen an die Öffentlichkeit zu gehen! Wir möchten diesen Prozess begleiten und schlagen eine Nachbesprechung vor.

 

Aktennotiz der Presse (Engelbert Kropfreiter)

vom 17.November 1996, 15 Uhr bis ca. 17.15 Uhr, Veranstaltung Aula Grund- und Hauptschule: „Vorstellung der Zeitzeugenaussagen NS in Bräunlingen“

Aussagen der Gruppenmitglieder Wolfgang Kropfreiter, Heinz Geyer, Christoph Nobs und Stephan Wehinger: Bei Beginn vor 10 Jahren waren sie 10-12, die „den schwarzen Fleck für unsere Generation“ aufhellen wollten. Am Ende waren es noch 5 (incl. Elke Scherzinger).

Zeitzeugen wurden befragt ohne Unterschied von Stand und Partei. Wichtig: Wie war es während der nationalsozialistischen Zeit? Ein Zeitraum, der bisher sogar in der Ortschronik totgeschwiegen wurde.

 

Diskussion:

Valentin Hofacker rechtfertigt ausführlich den Hauskauf seines Bruders Ferdinand Hofacker vom Emigrant Zimmt, der Jude war.

Gerhard Bombeiter meint, warum sich nicht schon die Söhne zu diesem Thema zu Wort gemeldet hätten und begrüßt das Engagement der Enkel (Dank).

Ferdinand Wintermantel, er ist enttäuscht, daß das Versprechen an die Zeitzeugen, das Gesagte 10 Jahre bis zur Veröffentlichung unter Verschluß zu halten, nicht verwirklicht wurde.

Bürgermeister Jürgen Guse, er regt an, die Bräunlinger NS-Zeit im Kelnhofmuseum zu integrieren.

Waldemar Fleig, seine Frage nach Zeitzeugen über die Reichskristallnacht in Bräunlingen bleibt unbeantwortet.

Joachim Schweitzer, bestätigt Valentin Hofackers Aussagen bezüglich der Familie Zimmt, mit der seine (Schweitzers) Familie noch bis in unsere Tage hinein Kontakt hatte.

Schweitzer begründet auch die Angriffe, insbesondere von Christoph Nobs, gegenüber dem Verfasser der Ortschronik, J.B. Hornung, er habe Judentum und Nationalsozialismus völlig ausgeklammert. Dr. Hornung habe das bewusst getan. Die Wunden nach dem Krieg seien noch offen gewesen (erhält Schützenhilfe von Valentin Hofacker).

Dr. Tilmann Moser, auf eine Falschmeldung von Valentin Hofacker, Bürgermeister Müller werde in der Dokumentation als Kommunist bezeichnet: „Die Nerven sind angespannt bei diesem Thema.“ (Hofacker las Müller statt Miller).

Autor Zahlten: Er hat im Zusammenhang mit seiner Buchveröffentlichung über Priester in der NS-Zeit in Bräunlingen Zeitzeugen gefunden, die zur Judenfrage aussagten. In einem Bräunlinger Haus seien Juden in der NS-Zeit versteckt worden. Auch wurde schwarz geschlachtet, um Juden im Ruhrgebiet zu helfen (Zahlten unterbricht bewegt seine Schilderung).

Frau Zahlten, eine gebürtige Amerikanerin (Jahrg. 1927): „Es gibt in der menschlichen Natur etwas, das Böses zulässt.“ Sie selbst schäme sich für das, was ihre Nation (USA) in Vietnam getan habe und wie es mit der Sklaverei der Schwarzen gehandhabt wurde.

Zu Wort meldete sich auch der Shn eines ehepaares (Russen und Polen), das als Zwangsarbeiter in der NS-Zeit in Bräunlingen war.

 

Zitate während der Veranstaltung:

„Wir wollen einen Anfang machen, es geht uns nicht um Personen“.

„Wie war es in der Zeit“, nicht: „Das war die Zeit“.

„Keine Anschuldigungen und persönliche Abrechnungen“. (Dr. Moser)

„Man kann spüren, dass es noch Verbitterung und Groll gibt“. (Dr. Moser)

„Man kann von Glück sagen, in Bräunlingen“. Zahlten zum vorhin geschilderten Beitrag über Juden in Bräunlingen während der NS-Zeit.

 

Gefordert wurde von der Gruppe:

Zugang zu Dokumenten über Juden in Bräunlingen auf die sich Dr. Eugen Balzer beruft.

Betont wurde von der Gruppe, das Dokument der Zeitzeugenaussagen (man konnte diese für 10,- DM erwerben) sei als „Grundlage für Gespräche gedacht“.

Als neuen Termin mit Dr. Moser zu diesem Thema wurde am Schluß der 12.Januar 97, 15 Uhr, in der Aula genannt.

 

Anmerkung:

Als Christoph Nobs bei den Zeitzeugen, die sich zur Verfügung gestellt hatten offiziell bedankte, gab es lang anhaltenden Beifall in der überfüllten Aula.

Bräunlingen, den 19.November 1996 Engelbert Kropfreiter. – Dies ist nur ein Auszug aus der Veranstaltung am 17.November in der Aula der neuen Schule, sie hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.

 

Berichterstattung (veröffentlichte Presse):

Mehrere Vorankündigungen in den „Bräunlinger Stadtnachrichten“

Vorbericht Südkurier (28.10.1996): „NS-Zeit Thema am Volkstrauertag. Neue Gruppe greift Tabu-Thema auf“

Vorbericht Schwarzwälder Bote (29.10.1996): „Die schlimme Zeit darf nicht vergessen werden. Bräunlinger legen Recherche-Ergebnisse zur NS-Zeit vor“

Vorbericht Schwarzwälder Bote (16./17.11.1996): „Den Volkstrauertag anders erleben. Bräunlinger beschäftigen sich mit ihrer NS-Vergangenheit“

Bericht Schwarzwälder Bote (18.11.1996): „Noch immer sitzt der Groll tief. Dokumentation über nationalsozialistische Vergangenheit zeigt Zwiespalt auf“

Bericht Badische Zeitung (19.11.1996): „Die nationalsozialistische Vergangenheit erforscht. Gruppe wagte sich an ein Tabu – Es gab Widerstände und Drohungen – Großes Interesse an den Ergebnissen“

Bericht Südkurier (19.11.1996): „Vergangenheits-Erforschung gegen Groll und Drohungen. Team beleuchtete Bräunlinger NS-Zeit – Große Resonanz bei Vortrag“

Nebenbeochachtung: Die CDU begeht eine Woche vor unserer bereits länger angekündigten Veranstaltung ihr 50-jähriges Bestehen im Hotel „Lindenhof“ mit einer Ausstellung von politischen Flugblättern und Plakaten bis in die 80er-Jahre (Bericht im Schwarzwälder Bote am 12.11.1996). Der Bericht nimmt keinen Bezug zu unserer Veranstaltung. Kann man davon ausgehen, dass auch die Ausstellung selbst das Thema „Vergangenheitsbewältigung in der frühen Nachkriegszeit in den (neuen) politischen Parteien“ ausklammert?

 

 

2.Veranstaltung (12.01.1997)

 

Begrüßung und Einleitung

 

Gespräch: Nachlese zu den Zeitzeugenaussagen und Weiterführung des Gesprächs

 

Materialien zum Mitnehmen: keine.

 

Einigung auf eine weitere, 3.Veranstaltung.

 

Zum Verlauf der Veranstaltung /Wahrnehmungen:

- Zeitung: zwar waren weniger da als bei der 1.Veranstaltung, aber das Interesse der Bräunlinger ist weiterhin vorhanden

- Zeitung: Gesprächsblockaden nach dem Krieg, Angst vor Sippenhaft, Kritik am AK wegen „jetzt schon Veröffentlichung der Zeitzeugenaussagen“; Diskussionen zu Einzelpersonen; auch Enkel von ‚Tätern‘ melden sich zu Wort; Schuldfrage; Einschätzung zur Schärfe der NS in Bräunlingen; Bedarf an Ergänzung der „Geschichte der Stadt“; Ausblick auf 3.Veranstaltung.

 

Aktennotiz der Presse (Engelbert Kropfreiter)

Protokoll zur Veranstaltung NS-Zeitzeugenaussagen in Bräunlingen am Sonntag, 12. Januar in der Aula der Neuen Schule:

Begrüßung durch Christoph Nobs

Vorstellung des Ablaufs durch Dr. Tilmann Moser

Reaktionen auf die Dokumentation

Korrekturen und Ergänzungen

Befragung der Jugendlichen

 

Reaktionen + Erinnerungen + Ergänzungen

1.Waldemar Fleig meldet sich zu Seite 60 der Dokumentation Schule, Kindheit, Jugend. Wir der Jahrgang 33 waren alle Analphabeten? Rechtfertigung: Es stimmt nicht daß die Jahrgänge nicht lesen und schreiben lernten! Analphabeten ist hier vielleicht im übertragenen Sinn gemeint, so Tilmann Moser, politische Aufgeklärtheit.

 

2.Arnold Sumser meldet sich um Bewegung in die Diskussion zu bringen. Er habe Kontakt mit vielen Leuten und habe auch viele zum Thema befragt um Reaktionen der betroffenen Generation zu erfahren. Viele die damals junge Leute waren tun sich schwer Situationen zu beschreiben und zu „beurteilen“. Es gab die Mitläuferschaft aus wirtschaftlichen- oder existenziellen Gründen. Familienangehörige werden angeklagt, Sippenhaftgefühle gegenüber Onkel, Großvater usw. Kritik und Opposition bedeuten Lebensgefahr. Eine Aufarbeitung ist gut, die Erfahrungen helfen, Störungen im Rechtsstaat zu erkennen. Gefährliche Aussagen: Adolf muß wieder her, Ordnungsstaat, Arbeitslager.

 

3.Valentin Hofacker erzählt seine Erlebnisse in der organisierten katholischen Jugendbewegung in Lahr ND (Neues Deutschland). Dann gab es nur noch eine Hitlerjugend, es hieß tragt die Elemente dort hinein und so habe ich mich in Lahr zur HJ gemeldet. Man hatte mich beauftragt, Du mußt die Gruppe führen, es gab politische Probleme, es hieß „Das ist einer von den Schwarzen.“ Ich durfte nicht mehr sprechen, war einer von den anderen. Ich wollte Abitur machen und Lehrer werden, doch es hieß zuerst Dienst am Vaterland also freiwilliger Arbeitsdienst. Suche nach Studienmöglichkeiten – in der Führung mitwirken, Verpflichtung zum Militär. Kein Mittun – keine Möglichkeit sich zu entfalten, wer nicht gewillt war mitzutun ist nebenan gestanden. Als Junglehrer im Hotzenwald war die erste Frage: „Hasch gedient, bisch in der Partei.“ HJ nur unter den Akten des Konkordats, kein Dienst am Sonntag – Kirche! Von Ortsgewaltigen habe ich einen Brief an die Front erhalten: „Hofacker bisch in der Partei aufgenommen, das war automatisch.“ Ich war 10 Jahre Soldat, es kam die Entnazifizierung nach dem Krieg. Hofacker habe im Hotzenwald alle Pfarrer besucht und alle haben gesagt: „Du warsch ein Jugendführer!“ Er habe ein kritisches Auge für Bräunlingen gehabt. Kritik von Valentin Hofacker an der Arbeitsgruppe, er habe die Nachricht erhalten, seine Aussage wird nicht veröffentlicht, da sie nicht den Tatsachen entspricht. Warum?

Antwort von Christoph Nobs: Dies sei aus einem Gruppenprozess heraus entstanden es betraf hauptsächlich die Aussagen zu Ferdi Hofacker. Rechtfertigung: Die anderen Zeitzeugen wollten es nicht.

Tilmann Moser, keine Anschuldigungen heute – spätere Runde. Wie schaue ich auf meine Biografie?

 

4.Veronika Hornung fragt nach dem Verkauf von Möbeln der Familie Zimmt ob jemand darüber weiß?

 

5.Andreas Dury erklärt, warum der Jude Zimmt gehen mußte. Man hatte ihm einen Zahn herausgeschlagen er mußte weg. Zimmt ist dann zu uns heimgekommen er mußte über Nacht Haus und Möbel verkaufen. Er sagte: „Kumm und holl!“ Wir haben ihm ein Wohnzimmer abgekauft der Kauf war korrekt. IN der Nacht haben wir es geholt es stand 1946 im Pfarrhaus. Frau Zimmt und Sohn leben in Israel.

 

6.Ein Mann aus Ewattingen zeigt seine Erfahrungen auf. Ein polnischer Fremdarbeiter wurde erschossen. „Der wos Thema anschneidet ist der Täter!“ (Gefühl: Derjenige der aufklären will der Eigentliche Schuldige ist!)

 

7.Eine Frau fragt nach der Bedrohung der Familie Zimmt? Sie erzählt ihre Eindrü>Tilmann: Adolf nimmt Stellung von Christus ein. Konflikt Theodor Weisser gehaßt und beliebt!

 

8.Arnold Sumser erzählt über seine privaten Erlebnisse. Seine Schwester Ruth war beim BDM, es gab Zuhause oft Kommentare gegen die Nazis. Ruth wollte deshalb den Vater anzeigen, die Mutter konnte meine Schwester davon abhalten. Mein Vater trug Uniform, er hat so aber auch vielen helfen können. Er hat 30 bis 40 Soldaten versteckt und auch die Geschwister Scholl ärztlich versorgt. Es gab viele Briefe von Menschen denen mein Vater geholfen hat. Im Hüfinger Landesheim waren auch Geisteskranke es gab keine Abtransporte. Gutes konnte nur mit Solidarität mit Ortsverwaltung bewerkstelligt werden.

 

9.Maria-Elisabeth Schwörer-Wehinger: „Ich bin die Enkelin des ‚Weisserle‘“. Sie stellt sich vor und spricht über die Familie, die Gespräche die geführt wurden. Immer wieder die Frage nach dem Großvater, viele Geschichten um seine Person. Sie spricht von Denunziation am Küchentisch, die Zeit nach dem Krieg, Schweigen kein Reden.

 

10.Michael Wehinger Bruder von Maria Elisabeth: Wiedergutmachung –Schweigen gegenüber „Zeitzeugenaussagen“ persönliche Darstellung des persönlich erlebten. Definition der Zeitzeugenaussagen, persönlich subjektiv und 50 Jahre danach.

 

Tilmann:

1. Frage: Schweigegebote Aufforderung zur Denunziation

2. „Enkelin Weisser“ Frage nach der Einheit der Person verschiedene Anteile

3. Aussage V.Hofacker ist entfallen, da er nicht im Anhang erscheinen wollte.

 

11.Valtentin Hofacker könnte jede Aussage den Bruder betreffend belegen.

 

12.Lothar Widemer versteht nicht warum man Aussagen ausgeklammert hat. Keine widersprüchlichen Aussagen da zeitgleich und subjektiv. Bewertung des Büchleins jedoch nicht gewollt.

 

13.Philipp Zirlewagen 35 Jahre Anwalt über Zeitzeugenaussagen. Erfahrung: Zeugen unsicherste Beweisschaft. Er kann einiges was über seinen Vater als erster eingesetzter Nachkriegsbürgermeister gesagt wurde so nicht stehen lassen. Mein Vater war kein Franzosenfreund, er hat nichts delegiert, hat zum Beispiel das Vieh das die Franzosen verlangten selbst den Leuten aus dem Stall geholt. Er erzählt von der Forderung der Franzosen Frauenschuhe zu besorgen, die er den Frauen nach der Kirche abnehmen sollte. Er hat sich mit dem Pfarrer abgesprochen, sodaß die Kirche schon früher angesetzt wurde und die Leute schon weg waren als die Schuhe abgenommen werden sollten. Für Forderungen der Franzosen die er nicht erfüllen wollte, mußte er für ein paar Tage ins Gefängnis.

 

14.Bernhard Dury über die Zeitzeugenaussagen: Es steht was im Raum, wo keiner weitersprechen will. Erwiderungen und Zeitzeugenaussagen. Jeder Nazi hat auch seine gute Seite gehabt.

 

15.Valentin Hofacker sieht Gefahr darin, wenn man eine Sache nur von einer Seite beleuchtet und nur einen gelten läßt.

 

16.Sohn einer Zwangsarbeiterin will Namen wissen. Er hatte eigentlich gehofft, daß mehr von Zwangsarbeitern in der Dokumentation steht. Erzählung der Mutter von bösen Dingen. Er hatte vor Jahren schon den Namen einer der Aufseherinnen Frau Bäuchle erfahren und mit ihr ein Gespräch geführt. Es gab zwei Lageraufseher von denen es hieß, Frau Bäuchle hats verbockt, Herr Nobs hat wieder gradgebogen. Er ärgert sich über die Deutschen, keiner ist bereit zu sagen „Mir tuts leid.“ Wehret den Anfängen.

 

17.Susanne Huber-Wintermantel Museumsbeauftragte und Historikerin. Sie übt Methodenkritik, aud dem Blickpunkt des Historikers: So begrüßenswert die Broschüre auch ist, so kritisch muß man sie auch sehen. Aussagen sollen subjektiv sein, Urteil dem Leser überlassen. Fehlerquellen mündliche Aussagen jedoch zuerst im Dialekt, dann im Schriftdeutsch. Kein quellenkritisches Darstellen eines Historikers – vielleicht Gott sei Dank.

 

18.Paul Rosenstihl. Subjektive Zeugenaussagen wünschenswert er ist aber dafür daß man Zeugen namentlich nennt.

 

19.Andreas Dury erwidert auf die Namensnennung der Zeitzeugen, dann muß sich jeder einen Anwalt nehmen.

 

20.Veronika Hornung will die Kritik an ihrem Großonkel J.B.Hornung nicht so stehen lassen. (Kritik von Christoph Nobs an der Stadtgeschichte sowohl zum Nationalsozialismus wie auch zu den Juden.) Vetter Hans sei dabei zu schlecht weggekommen das habe er nicht verdient. Der Bürgermeister wollte zu der Zeit als die Stadtchronik geschrieben wurde keine Judenfragen.

 

21.Lothar Wiedemer Antwort zu Hornungkritik. Kontext muß berücksichtigt werden, andere Erziehung, anderes Verständnis.

 

22.Stadtpfarrer Ocker über Bräunlingen in der NS-Zeit

1. Dunstkreis des „Pst-Sagens“ hat nicht aufgehört mit Kriegsende

2. Daran änderten die Geschehnisse um Herrn Zimmt nichts und auch der Verlauf der NS-Zeit nichts (nicht dramatisch)

3.Bräunlingen hatte keine Heiligen und Widerstandskämpfer alla Scholls und keine „Göbbels“.

NSDAP ist Geschichte von Macht und Schiedrichter sein. Wer etwas macht hat Macht!

 

23.Mazel Paul zu den Gemeinderatswahlen 1948: Mehr als 50% de Kandidaten waren NSDAP-Mitglieder.

 

24.Maria-Elisabeth Wehinger-Schwörer zum Versteck und Flucht des Großvaters: Er sei mit dem Heuwagen aus Bräunlingen weggebracht worden und hielt sich versteckt. Anderer Umgang mit der Geschichte des Großvaters als Frau wie als Mann Beispiel ihre Brüder.

 

25.Stadtpfarrer Ocker sprach sich für die Namensnennung der Zeitzeugen aus.

 

Berichterstattung (veröffentlichte Presse):

Bericht Schwarzwälder Bote (17.01.1997): „Stadtchronik klammert NS-Zeit aus. Arbeitsgruppe strebt Ergänzung an / Nächste Veranstaltung am 27.April geplant“

 

 

3.Veranstaltung (04.05.1997)

 

Begrüßung und Einleitung

 

Thema ist nicht festgelegt, lediglich ein paar Impulsfragen ( …………………………. )

 

Gespräch (laut Zeitungsbericht, s.u.):

„Vor kleinem Kreis war diesmal mancher bereit, seinen >Kropf< zu leeren“. Themen u.a.: kleine Ereignisse u. persönliche Erlebnisse in der Endphase des 3.Reiches; Frage nach der ‚Faszination‘ am NS; geringe Bereitschaft zur Vergangenheitsbewältigung und ‚wenig Hass‘ nach dem Krieg; Umgang mit Zwangsarbeitern und Zwangszugewiesenen; Darstellung im Kelnhof-Museum?; Ausblick auf vierte Veranstaltung im September.

 

Materialien zum Mitnehmen: keine.

 

Einigung auf eine vierte weitere Veranstaltung.

 

Zum Verlauf der Veranstaltung /Wahrnehmungen:

- Zeitung: kleines Auditorium, nur Wenige fanden den Weg zur dritten Veranstaltung, wesentlich geringere Anwesende als bei den ersten beiden Veranstaltungen.

 

Aktennotiz der Presse (Engelbert Kropfreiter)

Protokoll zur dritten Veranstaltung NS-Zeitzeugenaussagen in Bräunlingen am Sonntag, 4.Mai 1997, in der Aula der Neuen Schule:

Begrüßung durch Heinz Geyer, es sind 4 Monate seit der letzten Veranstaltung vergangen.

Tilmann Moser zum Programm des Nachmittags, man hat sich nicht festgelegt, er stellt ein paar Fragen an die Anwesenden:

Welche Gefühle sind hochgekommen?

Welches Bild haben die Eltern vermittelt?

Was hat so viele bewogen dem Nationalsozialismus zu verfallen?

Was hat die Leute bewogen nicht Nazi zu werden?

Gerhard Bombeiter, er bedurfte einer gewissen Zeitspanne um es als Geschichte zu begreifen!

Nichts Außergewöhnliches.

Beschäftigung in den Familien.

Bruno Wehinger, man wollte es den Historikern überlassen, jetzt wo Neonazis auftreten wird’s wieder aktuell.

Frau Müller, 1945 zur Schulentlassung erhielten wir ein farbiges Hitlerbild, der Unterricht in der Schule fand Abends von 8-10 Uhr statt wegen den Fliegern (ständiger Fliegeralarm).

Ein Teil der Industrie MEZ war in die Schule verlegt, die Alte Kinderschule war Ausweichschule. Unser Oberlehrer hieß Steiger, es gab den Lehrer Niedermann dar nach dem Krieg zurück nach Konstanz ging.

Paul Bausch (Mazel), erzählt, dass die Franzosen eine Hitlerbüste aus den Rathaus warfen.

Tilmann Moser: Was haben die Eltern noch erzählt?

Bruno Wehinger kann sich erinnern, daß er zu der Zeit einmal einen Fehler gemacht hatte. Der Nachbar hatte ihn gefragt: „Hat dein Vater auch Hitler gewählt?“

Im März 1945 gab es vor dem Schulhaus einen Aufmarsch um Hitlerlieder zu singen.

Nach dem Umsturz 1945 war der Ortsgruppenleiter verschwunden, sein Stellvertreter der „Aktuar“ Faller mußte für ihn ins KZ der Franzosen zunächst nach Hüfingen danach nach Freiburg.

Bei den Jungmädeln gab es eine Strichliste über die Fehlenden bei den Pflichttreffs, es gab Schulungen am Wartenberg. Wer zuviel fehlte bekam eine Meldung nach Hause.

In den kirchlich organisierten Familien gab es einen größeren Widerstand gegen das Regime als in der Arbeiterschaft.

Im KZ Hüfingen waren neben dem Aktuar Faller noch der Brauereibesitzer Efferenn, Polizei Dold und Bürgermeister Julius Hummel.

Ein polnischer Gefangener war geflüchtet, er wurde 1944 in Hüfingen als Abschreckung für andere gehängt, die Zwangsarbeiter und Polizisten die sie nach Hüfingen brachten mußten zusehen.

Nach dem Krieg wurden freilaufende Pferde eingefangen von den Franzosen.

In Bruggen wurden einige Männer von den Franzosen erwischt, die ihre Gewehre nicht abgegeben hatten, sie kamen nach Frankreich in Gefangenschaft wurden dort gut behandelt, so erzählt Hubert Heine dessen Vater auch dabei war.

Ferdinand Wintermantel erzählt eine kleine lustige Episode dieser sonst so trostlosen Zeit: Jedes Hochzeitspaar bekam zur Hochzeit Hitlers „Mein Kampf“ geschenkt, darauf soll Vinzenz Geyer einmal ein Hochzeitspäärle gefragt haben: „Honder de Krampf scho griegt“!

Fremdarbeiter durften mit der Familie bei der sie arbeiteten nicht an einem Tisch essen, viele befolgten dieses Verbot jedoch nicht.

Es gab einige Zwangsarbeiter, die nicht in ihre Heimat zurück wollten (einige hatten wohl schon geahnt was auf sie zukam, bestimmte Volksgruppen) nach dem Krieg, sie wurden jedoch zwangsweise zurückgeführt.

Es gab eine gewisse Unsicherheit nach dem Krieg, in das militärisch organisierte Lebensmittellager in der Alten Schule, das die Nazis angelegt hatten wurde nach dem Krieg eingebrochen und geplündert. Man verdächtigte zunächst die Zwangsarbeiter es waren aber scheinbar Bräunlinger die sich das Nötigste holten.

Wenn die Knechte in den Krieg mußten kamen Zwangsarbeiter auf die Höfe. (Serben, Russen, Polen…) Einige Zwangsarbeiter wollten deutsch lernen.

Der Landsturm mußte Nachts Streife laufen (Verdunkelung prüfen) auch junge Männer (Othmar Kienzle) wurden rekrutiert. Der Weg führte auch oft zum Mädchenheim das an die MEZ angegliedert war. Später waren es Zwangsarbeiterinnen die in der „Chemischen“ der Firma MEZ gearbeitet haben. Sie mußten mit Chemischen Stoffen hantieren und sahen wegen der seltsamen Kleidung die sie trugen recht unansehnlich aus.

Deutsche Soldaten die Zivil waren mit Fahrrädern auf der Flucht, sie hatten ihre Uniform verbrannt.

Die SA Uniform vom „Bürschteschmied“ war nach dem Anrücken der Franzosen in die Breg geflogen.

Die SS-Soldaten die durch Bräunlingen kamen, blieben nur eine Nacht am Kirchleberg.

Von den Polen die einst als Zwangsarbeiter hier gearbeitet haben hat sich keiner gemeldet obwohl das Verhältnis innerhalb mancher Familien nicht schlecht war, warum ist das so? Was wurde aus ihnen nach dem zum Teil zwangsweisen Abtransport?

Der Alltag in der NS-Zeit bestand aus Heilkräuter sammeln, Kartoffelkäfer suchen (Käfere), von diesem Schädling wir im übrigen vermutet, daß ihn die Amerikaner im Krieg abgeworfen haben, es gab ihn vorher nicht. Auch der ständige Fliegerlärm beherrschte das Alltagsleben.

In der Alten Schule befand sich ein Lebensmittellager, es war militärisch organisiert.

Tilmann Moser fragt: Gab es eine Spaltung durch die Nazizeit?

Bernhard Dury dazu: Die Zwistigkeiten werden überbewertet. Es gab eine Befriedung der Krieg war herum. Die paar die geholt wurden war eine Genugtuung. 49/50 normalisiert, die die nicht extrem waren.

Paul Bausch erzählt, dass Moosbrugger nach dem Krieg den französichen Offizieren Namen nennen sollte, er antwortete mit: Nein!

Frau Müller erzählt von einem Nachkriegsdrama das sich in ihrer Familie abgespielt hatte. Ein junger französicher soldat der wohl an ihrer Schwester Elenor gefallen fiel kam an ihrem Haus vorbei, als sie und ihre Schwester im ersten Stock am Fenster waren und hinausschauten. Er hatte eine Pistole bei sich mit der er herumspielte um wohl den beiden zu imponieren. Plötzlich löste sich ein Schuß aus der Pistole der die Schwester Elenor tödlich traf. Der Soldat und die Mutter eilten sofort zu Hilfe, doch es war zu spät. Es wurde eine Untersuchung angeordnet, aber der französische Soldat hatte es nicht mit Absicht getan, es kamen viele unglückliche Umstände zusammen.

Beerdigungen im Dritten Reich mit Flieger (Fliegeralarm) und Einheitssarg.

Paul Rosenstihl erzählt, daß sein Vater auch in der Partei gewesen sei, er wurde im Krieg verwundet. Als er nach dem Krieg zurück kommt ist das Elternhaus voller Franzosen.

Die französichen Offiziere die im Blaumeer wohnten lebten in Saus und Braus.

Es gab ein großes Hammelschlachten der Marokkaner auf dem Schulhof. Es wurde viel gestohlen, Demontage von Fahrzeugen.

In Almendshofen war ein militärischer Flugplatz, die Flieger waren im Wald versteckt.

Das Gasthaus Linde war teilweise geschlossen, es gab dort eine Nähschule, Flieger waren einquartiert und später Franzosen.

 

Berichterstattung (veröffentlichte Presse):

Zeitungsbericht (welche?) vom 06.05.1997: „NS-Diskussion vor kleinem Auditorium. Nur Wenige fanden den Weg zur dritten Veranstaltung“

 

4.Veranstaltung (17.09.1997)

 

Begrüßung und Einleitung

 

Einleitungsvortrag von Dr. Arnulf Moser „Die Besatzungszeit in Bräunlingen“

 

Gespräch / Diskussion

 

Materialien zum Mitnehmen

Vortragstext von Arnulf Moser „Die Besatzungszeit in Bräunlingen“

Infoblatt mit Daten „Politischer Neuanfang“ (Wahlen u. Abstimmungen 1946-1951)

Kopie: Bericht über Kriegsende u. Situation v. Pfr. Hanner an das Ordinariat vom 15.12.1945

Kopie: Erinnerungsfaltbild von Vikar Kurt Habich, über die glückliche Heimkehr aus dem KZ

 

Zum Verlauf der Veranstaltung /Wahrnehmungen:

- Zeitung: knapp 30 Teilnehmende; fairer Gesprächsverlauf, brachte aktives Erinnern und Sammeln von Erinnerungen.

- Zeitung: Erinnerungen A.Mosers auch mit Bezug zur gängigen Situation in anderen Städten Badens; Nachkriegzeitsituation; Versorgung, Entnazifizierung, politischer Neuanfang, Sammlung von Erinnerungen; (unterschiedliches) Erleben von Kriegsheimkehrern und Bevölkerung; Gedenken an den gerade verstorbenen Vikar Kurt Habich

- Tilmann Moser (Zitat): „Bei solchen Aussprachen lernt man fair miteinander umzugehen.“

Arnulf Moser schreibt rückblickend eine Grußkarte: „Herrn Wolfgang Kropfreiter, mit freundlichen Grüßen. Ich glaube, die Veranstaltung war ganz gut so, und ich würde mich freuen, wenn es noch Fortsetzungen geben würde. Arnulf Moser.

 

Aktennotiz der Presse / Protokollnotizen

(noch einzufügen)

 

Berichterstattung (veröffentlichte Presse):

Vorbericht 11.09.1997 (welche Zeitung?): „Über Kriegsende und Nachkriegszeit sprechen“

Bericht Schwarzwälder Bote (23.09.1997): „Bürgermeisterwahl nach dem Krieg ein Affront gegen die Besatzer. >Erinnern statt Vergessen< / Rückblick auf die Kriegs- und Nachkriegszeit“.

 

 

Gruppen- u. Arbeitsprozess 1980 bis 1997

und kurzer Blick auf die folgende Zeit

In einer Projektwoche (1980) am Fürstenberg-Gymnasium zu „Nationalsozialismus in Donaueschingen“ entwickelt Christoph Nobs eine ähnliche Idee für Bräunlingen. Unter den jüngeren Bekannten bildet sich ein Kreis mit Gerhard Bombeiter, Berthold Geyer, Heinz Geyer, Wolfang Kropfreiter, Christoph Nobs, Walter Rau, Paul Rosenstil, Elke Scherzinger, Hubert Schmid, Michael Wehinger und Stephan Wehinger sowie dem Geschichtslehrer Reinhard Raabe, der die Gruppe fachmännisch berät, begleitet und aktiv mitarbeitet.

Längere Überlegungen folgen zu „Sinn und Zweck“, Profil, Umfang, konkretem Zielvorhaben sowie Arbeitsschritten. Reinhard Raabe skizziert ein Projektschema mit Blick auf eine Dokumentation und Ausstellung. Verschiedene Arbeitsbereiche sind 1) Interviews und Befragungen, 2) Archivarbeiten, 3) Gruppenarbeit; diese Bereiche folgen jeweils einem Vierschritt: 1. Koordinieren-Sammeln, 2. Ordnen-Auswerten, 3. Schreiben-Zusammenfassen, 4. Präsentieren. Dossiers sollen angelegt werden zu Themenfeldern: Bevölkerung und Stadtentwicklung; Landwirtschaft und Gewerbe; Krieg und Militär; Vereine; Kirchen; Schule/Kindheit/Jugend; Fasnacht; Kommunale Politik; Ökologie; NSDAP; Einzelpersönlichkeiten; Juden und Minderheiten; Widerstand; öffentliches Leben; Frauen/Männer; Zeit vor/nach der NS-Zeit; Fremd-/Zwangsarbeiter; etc. Die AK-Mitglieder werden in allen drei Feldern tätig. U.a. erfolgt eine breite Sichtung der Zeitungsarchive, deren Artikel fotografiert und in Dossiers sortiert werden; manche recherchieren Fundstellen für Archivarbeit; manche beginnen mit den Zeitzeugengesprächen, für die eigens ein Frageraster entworfen wird.

Die Gruppe verkleinert sich auf Heinz Geyer, Brigitte Geyer-Dindelli, Wolfgang Kropfreiter, Christoph Nobs und Stephan Wehinger. Wegen des hohen Alters der Zeitzeugen konzentrieren sie sich auf die Zeitzeugeninterviews. Eine umfassendere Aufarbeitung der NS-Zeit kann später folgen. Sie arbeiten jetzt selbstständig weiter ohne den bisherigen Begleiter Reinhard Raabe.

Der Arbeit stockt zeitweise, schließlich kommt aber doch eine respektable Zahl (Anzahl) Zeitzeugeninterviews zustande. Offen bleibt, wie mit den Interviews verfahren wird. Manche Zeitzeugen erzählen, sind aber noch nicht zur Veröffentlichung bereit. Schließlich wird ein „anonymisiertes“ Gesamtdokument erstellt, „überarbeitet und thematisch geordnet“, mit folgenden Kapiteln: 1.Die Zeit vor dem Dritten Reich, 2.NS-Bewegung in Bräunlingen; 3.Leben unter der NS-Herrschaft; 4.Politische Vorgänge; 5.Wirtschaftliche Vorgänge; 6.Unterdrückung und Verfolgung; 7.Krieg, Militär, 8.Kirche (inklusive Exkurs Kurt Habich), 9.Kultur, 10.Schule, Kindheit, Jugend, 11.Kriegsende und Nachkriegszeit, 12.Vergangenheitsbewältigung.

Mit den Zeitzeugen wird das Manuskript zweimal „in Gruppe“ gelesen, besprochen, überarbeitet, kommentiert und autorisiert.

Nach längeren Überlegungen entschließt sich der Arbeitskreis zur Bekanntmachung des Dokuments in einer öffentlichen Veranstaltung. Es wird gründlich überlegt, wann und wie dies geschehen soll. Dr. Tilmann Moser wird als Referent und Moderator angefragt. Die Stadt Bräunlingen finanziert den Druck, ergänzt mit einer Beilage „Anmerkungen von Bürgermeister Jürgen Guse zu Zeitzeugenaussagen zum Nationalsozialismus in Bräunlingen“.

Die Veranstaltung am Volkstrauertag, 17. November 1996, hat großen Zulauf und es wächst die Bereitschaft zur „Vergangenheitsbewältigung“. Drei weitere Veranstaltungen folgen am 12.11.1996, am 04.05.1997 und am 17.09.1997. Zwischenzeitlich, im März 1997, veröffentlicht Richard Zahlten sein Buch, über den Widerstand einiger katholischen Priester im Landkapitel Donaueschingen; darin auch eine längere Abhandlung über den Bräunlinger Stadtpfarrer Dekan Julius Meister.

In den Veranstaltungen stellt sich folgender „Bedarf“ für die Zukunft heraus:

 

1. Professionelle Erforschung und Aufarbeitung der gesamten Bräunlinger NS-Zeit durch Fachleute; Kooperation mit entsprechenden Lehrstühlen, Instituten, Stiftungen etc.

2. Ergänzung der „Geschichte der Stadt Bräunlingen“ mit der Zeit des Nationalsozialismus in Form einer Buchveröffentlichung.

3. Ergänzung des Kelnhofmuseums für die Zeit des Nationalsozialismus.

4. Fortwährendes „Erinnern statt Vergessen“ in Auseinandersetzung mit neuen aktuellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft und Welt.

 

In den Jahren 1998-2016 ruht die öffentlich wahrnehmbare „Aufarbeitung“. 2017 finden sich die ehemaligen Arbeitskreismitglieder wieder zusammen und beschließen die Einrichtung einer Homepage. Als offenes Projekt „Geschichtswerkstatt Bräunlingen“ soll die Arbeit wieder in Gang kommen. Für 2018 plant die Geschichtswerkstatt eine Veranstaltung zu einem „aktuellen“ Thema; für 2019 ist eine Ausstellung mit Veranstaltungen zum 75.Todestag (=15.07.1944) von Julius Meister in Planung.

 

(Stand: 27.11.2017)

 

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