Geschichtswerkstatt Bräunlingen
Geschichtswerkstatt Bräunlingen

Jüdische Geschichte in Bräunlingen

(Stand 07.12.2017)

 

mehrere hundert Jahre (vor dem 16.Jh., CN):

Es scheint mehrere Hundert Jahre vorher (vor dem 16.Jh., CN) schon einmal eine Judenkolonie hier bestanden zu haben, von der wir aber nichts Genaues mehr wissen. Die „Judengasse‘ wird schon 1384 erwähnt und scheint sogar noch viel älter zu sein. (Balzer, S.51)

 

16.Jahrhundert:

Aus dieser Zeit ist eine ganze Anzahl von Urkunden über Juden vorhanden, zum Teil sehr beachtlichen Inhalts. (Im 16.Jh.,?, CN) bedangen sich die Juden bei ihrer Aufnahme als Hintersassen in Bräunlingen aus, die Stadt dürfe keine anderen Juden neben ihnen aufnehmen, offenbar wollten sie keine Konkurrenz haben. Eine Stelle am Brändbach wird Judenbad genannt. Aber dieser Name kann ebenfalls nicht von den Juden des 16.Jahrhunderts herrühren, ihnen war vertragsgemäss die Benutzung der städtischen Badestube gestattet. (Balzer, S.51)

Es gab im 16.Jahrhundet ein gräflich-fürstenbergisches Verbot für Juden, mit fürstenbergischen Untertanen unerlaubte Geschäfte zu tätigen. Ein in Bräunlingen ansässiger ‚Jude Salomon‘ verstiess gegen dieses Verbot, indem er auf fürstlichem Gebiet an mehr als 400 Untertanen des Grafen ‚wucherlich‘ gehandelt hat. Hieraufhin schwört Salomon einen leiblichen Judeneide für sich und die gemeine Judenheit, nicht zu rächen, was ihm das Geisinger Gefängnis an Strapazen und Unkosten (70 Gulden) eingebracht hat. Der Eid wird abgelegt auf das Buch mit den Zehn Geboten Gottes. (Hornung, S.280) – ohne Jahresangabe: Salomon wird beschuldigt, ein Kind als Pfand genommen zu haben. Der Jude leugnet, ein rechtlicher Gegenbeweis kann nicht erbracht werden… Der Jude Salomon schwört Urfehde und darf die Grafschaft ohne Erlaubnis des Grafen nicht mehr betreten (Hornung, S.600f).

 

1522

1522 verurteilen Schultheiss und Rat zwei Juden wegen Falschmünzerei zum Tode, das ausführliche Todesurteil ist erhalten (Balzer, S.51)

 

1523:

17.071523: Ritter Hans Ymer von Gilgenberg, österreichischer Landvogt im Elsaß, entscheidet, daß die Stadt Bräunlingen, welche mit Raphael dem Juden und seiner Schwiegermutter Mundlyn der Jüdin einen Prozeß hat, 121 Pfund 3 Schilling und 8 Pfennige Stebler erhält. [Urkunde] Quelle: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/3HU3PIHZX2RVUZEQQHULETDBMGPU3N4E

 

1524:

17.02.1524: Die österreichische Regierung zu Ensisheim vermittelt einen Vergleich zwischen der Stadt Bräunlingen und dem Juden Mosse Heller, der gegen Bräunlingen geklagt hat, weil die Stadt widerrechtlich auch andere Juden in die Stadt aufgenommen hatte. [Urkunde] Quelle: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/D7TDJTVKHDWPWVDW5TQEDJDVBOMGE3NP

 

1545:

28.10.1545: Die Stadt Bräunlingen nimmt Salme den Juden auf zehn Jahre zum Bürger an, gegen die jährliche Abgabe von 14 Gulden. [Urkunde] Quelle: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/AZ4KQOID4CSDLRWRYEWVKWMTQXYLRNP3

 

1576:

„Item es sollent auch alle Burger und Einwohner bei iren Aiden von den Juden kein Gelt noch Anders nit lehnen, auch nichts auf Borgs kaufen“ (Aus der Stadtordnung von 1576, Balzer S.53)

Die Stadtordnung vom Jahr 1576 bindet jedem Gliede der Gemeinschaft unter Eid auf die Seele…, weder Geld noch anderes ‚auf borgs‘ zu leihen, wie auch die Heiligenberger Landesordnung das strenge Verbot ausspricht, dass die Untertanen der Herrschaft mit den Juden irgendwelche Geschäfte tätigen (Hornung, S.280)

 

1651:

1651 erfolgt die letzte datiert-belegte Judenaufnahme in Bräunlingen. Später scheinen jüdische Familien nicht mehr in der Stadt gewohnt zu haben (Balzer, S.51)

 

Gegen Ende des 17.Jahrhunderts:

Für Ende des 17.Jahrhunderts ist belegt, dass die Stadt auch Juden annehmen und wieder abstossen darf (Hornung, S.269).

Gegen Ende des 17.Jahrhunderts tolerierten die „Habsburger“ in ihrer Herrschaft, zu der (mit einigen Unterbrechungen, die jeweils Veränderungen nach sich zogen) auch die vorderösterreichische Enklave Bräunlingen von 1305 bis 1806 zählte, keine Menschen jüdischen Glaubens mehr. Im Unterschied hierzu galt die Toleranz noch eine Weile im Fürstentum Fürstenberg, welches für Geldleistungen Menschen jüdischen Glaubens bei sich aufnahm.

 

1790:

Leutnant Joh. Jos. Anton von Schellenberg versetzt „etlichen Hebräern“ seinen Anteil am Bräunlinger Zehnten. (Balzer, S.53)

 

19.Jahrhundert:

Allgemeine Information: Ab der Zeit des „Großherzogtum Baden“ war in unserer Region wieder Toleranz gegeben, so dass im 19. Jahrhundert in Baden das Judentum eine Blütezeit erlebte. Ab ca. 1880 nahm dann auch in Baden der Antisjudaismus wieder zu.

 

1871

24.Juli 1871: Raubmord am „israelitischen Handelsmann Berthold Kaufmann aus Gailingen“ durch den Bräunlinger Zimmermann Anton Laucher. Der Fall wird am 25.Oktober 1871 am Schwurgericht Konstanz verhandelt. Anton Laucher wird zu 2o Jahren Zuchthaus verurteilt. Seit dieser Zeit haben die Bräunlinger den Übernamen „d‘Schenkilisäger“, da Laucher dem Leichnam Berthold Kaufmanns die Füße absägte und die einzelnen Körperteile unter einer Bretterdiele seiner Scheuer verstaute.

 

1903:

„Auch jetzt (Balzer 1903, CN) sind keine Juden hier ansässig“. Balzer beabsichtigt 1903, die Bräunlinger Judenurkunden im Zusammenhange zu veröffentlichen, „die meisten sind schon druckfertig“ (Balzer, S.51)

 

20.Jahrhundert:

1934 kommt die deutsche Familie Zimmt, jüdischen Glaubens, nach Bräunlingen. Das Ehepaar Fritz und Sophie Zimmt erwirbt das Anwesen Blaumeerstr.13 und eröffnet im Januar 1935 sein Kaufhaus mit Textil-, Glas- und Porzellanwaren. Im August 1935 wir ihr Sohn Herbert in Bräunlingen geboren. Im Zuge der Diskriminierungen der nationalsozialistischen Herrschaft werden sie diskriminiert, boykottiert und tätlich schickaniert. Fritz Zimmt wird nach dem Novemberpogrom wie 30.000 jüdische Männer inhaftiert: 12.11.-17.12.1938 im KZ Dachau. Er wird freigelassen, da seine Frau während der Abwesenheit die Auswanderung der Familie organisiert. Im Januar 1939 wird ihr Anwesen „arisiert“ und sie verlassen Bräunlingen. (Detailliertere Ausführungen und weiterer Verlauf nach der Bräunlinger Zeit in separater Abhandlung).

„Zu deiner Anfrage über evtl. weitere Familien oder Personen jüdischen Glaubens in Bräunlingen kann ich dir definitiv mitteilen, dass es im Zeitraum 1900 – 1945 keine weiteren diesbezüglichen Einwohner in Bräunlingen gab.“ (Auskunft per e-mail am 07.12.2017 von Stadtarchivar Joachim Schweitzer an Christoph Nobs).

 

Flurnamen:

Das Gebiet „Judenäcker“ bei Hubertshofen (Balzer, S.7), auf denen Gräber vorhanden sind. Diese Gräber stammen von einem eingegangenen Ort, von dem wir nicht einmal den Namen kennen (Balzer, S.27 – dazu auch Hornung, S.414)

Die „Judengasse“ wird schon 1384 erwähnt und scheint sogar noch viel älter zu sein (Balzer, S.51 – dazu auch Hornung, S.285)

Eine Stelle am Brändbach wird Judenbad genannt. Aber dieser Name kann ebenfalls nicht von den Juden des 16.Jahrhunderts herrühren, ihnen war vertragsgemäss die Benutzung der städtischen Badestube gestattet. (Balzer, S.51)

 

Hausnamen ‚jüdischen Klangs‘ in Bräunlingen:

„s’ Salomonä“

 

 

Beiträge:

Christoph Nobs, Zwei Bräunlinger Geschichtsbücher… und ihr Verhältnis zum Judentum. Eine Untersuchung. Dezember 1990/Februar 1996. Manuskript des Autors.

Vereinzelte Notierungen zu Familie Zimmt (in Bräunlingen 1934-1939) auch in der Homepage der „Geschichtswerkstatt Bräunlingen“ (in den Rubriken „Zeitzeugen“, „Geschichtsverlauf“, „historische Presse“ und „historische Quellen“. Einige Notierungen sind derzeit noch nicht „online“, da in Erarbeitung.

 

 

 

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